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Tiere als Nachbarn
Artenschutz an Gebäuden
Vorwort
Die Priorität einer verantwortungsvollen und nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik
liegt in der intensiven Nutzung und Entwicklung bereits erschlossener
städtischer Räume, um eine Zersiedlung des natürlichen
Umlandes der Stadt zu vermeiden. Trotzdem müssen sich die Menschen
auch in der Stadt wohl fühlen, brauchen sie in ihrem Wohnumfeld Grün
und Natur. Daher ist es erforderlich, auch dort nachhaltig mit den Belangen
der Natur umzugehen und mit allen Möglichkeiten zu fördern.
Die vorliegende Broschüre verdeutlicht, dass dies auch gerade in
der sich verdichtenden Stadt möglich ist.
Ob kleinere Reparaturen, großflächige Sanierungen, Abriss oder
Neubau - allenthalben wird die Berliner Bausubstanz in Stand gesetzt,
modernisiert und rekonstruiert. Der Stadt und den Menschen tut dies gut.
Einzig unsere tierischen Nachbarn, die Mauersegler und Mehlschwalben,
Spatzen und Fledermäuse, die sich die Stadt zu ihrem Wohn und Lebensraum
erkoren haben, haben bei diesen Maßnahmen oft das Nachsehen. Denn
die erforderlichen Abriss-, Sanierungs- und Rekonstruktionsarbeiten führen
oft zum Verlust ihrer Lebensstätten.
Dabei bereichert eine artenreiche Tierwelt das Lebensumfeld des Menschen,
ist der Kontakt mit wildlebenden Tieren von großer Bedeutung für
die Lebenserfahrung, Bildung und Erziehung insbesondere unserer Kinder
und Jugendlichen. Das Vorhandensein charakteristischer Arten spiegelt
kulturhistorische Entwicklungen wider und ist damit Teil der spezifischen
Identität von Stadträumen.
Ob wir den Bedürfnissen unserer tierischen Mitbewohner Beachtung
schenken und somit zum Schutz unserer Tierwelt und zur Bereicherung unserer
Umwelt beitragen, hängt ganz wesentlich von der Bereitschaft der
Bürger, der Planer, Architekten und Bauherren ab. Sie können
in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich mit wenig Aufwand leicht die Belange
des Schutzes von Tieren und Pflanzen unterstützen und fördern.
Mit der vorliegenden Broschüre werden die notwendigen
Informationen kompakt dargestellt, die rechtlichen Rahmenbedingungen und
Hinweise zur Biologie der Arten werden erläutert. Den Schwerpunkt
bilden konkrete Vorschläge für die Praxis, wie durch bauliche
Maßnahmen den betroffenen Tieren (Wieder-) Ansiedlungsmöglichkeiten
an Gebäuden angeboten werden können. Oft sind es die kleinen,
unspektakulären Veränderungen bei Rekonstruktion und Neubau,
die äußerst wirkungsvoll für den Artenschutz sind. So
können wir alle mithelfen, Berlin noch lebendiger zu gestalten.
Peter Strieder
Senator für Stadtentwicklung
Berlin, August 2002
1. Einleitung
Naturschutz in und an Gebäuden gehört bislang bei
der Stadtsanierung und bei Neubauprojekten eher zu den Randthemen. Allenfalls
Begrünungen haben eine gewisse Akzeptanz erreicht. In der allgemein
üblichen Praxis der Gebäudesanierung werden beispielsweise häufig
verwitterte oder fehlende Mauersteine ersetzt und offene Fugen vollständig
verstrichen. Ziel ist eine makellose Fassade. Im Dachbereich werden Spalten
geschlossen, die Dachböden zu Wohnungen ausgebaut. Bei Neubauten
prägen - neben fugenlos bündigen Putz- und Steinaußenwänden
- unstrukturierte Fassaden aus Metall und Glas das Bild.
Dass es Fledermaus- und Vogelarten gibt, die sich als Kulturfolger dem
Menschen angeschlossen haben und Gebäude besiedeln, wird - trotz
aller Orientierung auf Nachhaltigkeit - von Planern und Architekten immer
noch meist vergessen oder ignoriert. So verlieren immer mehr unserer Untermieter
aus dem Tierreich ihre Quartiere. Selbst der stellenweise noch häufige
Spatz gerät nach und nach in akute Wohnungsnot. Dabei hat der Gesetzgeber
auch ihn und seine Niststätten unter strikten Schutz gestellt - eine
Tatsache, die noch nicht überall geläufig ist.
Es sei betont, dass die Berücksichtigung der Natur im Allgemeinen
und die Förderung der in der Stadt frei lebenden Tiere im Besonderen
nicht nur zu den Zielen der Naturschutzgesetzgebung sondern seit 1990
auch der Berliner Verfassung gehören.
Die Anwesenheit von Wildtieren, welche die Stadtlandschaft beleben, ist
ein unbestechliches Zeichen von Lebensqualität und bietet Erwachsenen
und vor allem Kindern interessante Naturerlebnisse, Freude und ungewöhnliche
Überraschungsmomente.
Sie, die mit dem Bauen Befaßten, können mithelfen, typischen
Berliner Charaktertieren wie den "Spatzen" und den durch die
Straßen jagenden Mauerseglertrupps das Fortbestehen zu ermöglichen.
In einer Gesamtinvestition für Neubau, Umbau oder Sanierung von Gebäuden
nehmen solche Maßnahmen nur geringe Kosten in Anspruch, leisten
aber einen entscheidenden Beitrag zum Natur- und Artenschutz.
Neben der Verwendung von vorgefertigten Bauteilen (z. B. Niststeine) sind
am Bau beteiligte Planer und Architekten gefragt, weitere phantasievolle
Lösungen zu entwickeln, da jedes Haus nach individuellen Lösungen
verlangt. Im Kapitel 10 (Hilfsmaßnahmen im Überblick) sind
die Richtmaße für Quartiere und im Kap. 11 weitere zu berücksichtigende
Details angegeben, damit es zu einem Besiedlungserfolg kommt.
Wenn der Wille vorhanden ist - Kostengesichtspunkte können hier nicht
entgegenstehen - findet sich für jede Art von Gebäuden eine
sowohl den architektonisch-bautechnischen Anforderungen als auch den Bedürfnissen
der zu fördernden Arten gerecht werdende Möglichkeit zur Einbindung
von Niststätten, wie Ihnen die vorliegende Broschüre nahe bringen
möchte.
Julian Wékel
Abteilungsleiter Stadt- und Freiraumplanung
2. Hinweise für Planer und
Bauherren
An jeder Art Gebäude, ob Neubau, Altbau, Großsiedlung
oder Umbau kann mit geringen Mitteln der Artenschutz für die auf
unsere Duldung angewiesenen Vogel- und Fledermausarten gefördert
werden.
Der Planer in der Schlüsselrolle für die Konzeption und den
Gebäudeentwurf kann frühzeitig Überlegungen und Belange
des Artenschutzes mit einbeziehen. Dies gilt für den Neubau ebenso
wie für kleine oder auch große Sanierungsaufgaben.
Bereits in der frühen Entwurfsphase des Neubaus oder der Sanierung
sollten Artenschutzmaßnahmen in das Gebäudekonzept mit einbezogen
werden. Bei alter Bausubstanz ist zu prüfen, ob in der Vergangenheit
genutzte Quartiere geschützter Tierarten erhalten werden können.
Es empfiehlt sich, möglichst frühzeitig mit der Unteren Naturschutzbehörde
des Bezirks oder mit ehrenamtlich arbeitenden Naturschutzorganisationen
Kontakt aufzunehmen, um das Gebäude auf bereits vorhandene Niststätten
untersuchen zu lassen bzw. zu klären, welche Nisthilfen unter den
örtlichen Gegebenheiten sinnvoll sind (Anschriften im Anhang).
In der Konzeption sollte ausdrücklich auf die Integration von Artenhilfsmaßnahmen
für Gebäudebrüter hingewiesen werden. Neben der Verwendung
umweltfreundlicher Baumaterialien und alternativer Energie- und Wasserversorgung
gewinnen zusätzliche Naturschutzmaßnahmen bei breiten Bevölkerungsschichten
immer mehr an Akzeptanz und haben Beispielwirkung. Die zukünftigen
Nutzer des Gebäudes haben sicher Freude an Vogelgesang, Flugmanövern
der Mauersegler und abendlichen Rundflügen der Fledermäuse im
Hof.
Der Bauherr als Endnutzer oder späterer Vermarkter spielt die entscheidende
Rolle für die Durchsetzung und den Raum, den Artenschutzmaßnahmen
an seinen Projekten einnehmen.
Grundsätzlich geht es um die Bereitschaft bei allen an Planung und
Bau Beteiligten einen Beitrag für den Natur- und Artenschutz zu leisten
und hierbei kreativ mitzudenken. Der Schutz in der Stadt lebender Wildtierarten
sollte sich nicht auf das Anbringen von Nistkästen beschränken.
Erfolg versprechend sind diese Nisthilfen bei einigen Arten nur, wenn
der räumliche Zusammenhang von Brut- und Nahrungsbiotop gegeben ist.
Daher sollten mit derartigen Maßnahmen auch Fassaden- und/oder Dachbegrünung
sowie die Entsiegelung und Begrünung der Höfe einhergehen (z.
B. Belassen von Wildkräutern; empfehlenswerte Gehölzarten im
Anhang, Kap. 12.1).
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Kommunikation
Württembergische Straße 6, 10707 Berlin
www.stadtentwicklung.berlin.de
- PDF-Datei (2,7 MB)
Ergänzung
(aktuelle Artenschutzrechtliche Vorschriften, 41 KB)
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