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Broschüre Artenschutz an Gebäuden
 
 
 

Titelbild © Robert Groß:

 
Tiere als Nachbarn
Artenschutz an Gebäuden


Vorwort
Die Priorität einer verantwortungsvollen und nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik liegt in der intensiven Nutzung und Entwicklung bereits erschlossener städtischer Räume, um eine Zersiedlung des natürlichen Umlandes der Stadt zu vermeiden. Trotzdem müssen sich die Menschen auch in der Stadt wohl fühlen, brauchen sie in ihrem Wohnumfeld Grün und Natur. Daher ist es erforderlich, auch dort nachhaltig mit den Belangen der Natur umzugehen und mit allen Möglichkeiten zu fördern. Die vorliegende Broschüre verdeutlicht, dass dies auch gerade in der sich verdichtenden Stadt möglich ist.
Ob kleinere Reparaturen, großflächige Sanierungen, Abriss oder Neubau - allenthalben wird die Berliner Bausubstanz in Stand gesetzt, modernisiert und rekonstruiert. Der Stadt und den Menschen tut dies gut. Einzig unsere tierischen Nachbarn, die Mauersegler und Mehlschwalben, Spatzen und Fledermäuse, die sich die Stadt zu ihrem Wohn und Lebensraum erkoren haben, haben bei diesen Maßnahmen oft das Nachsehen. Denn die erforderlichen Abriss-, Sanierungs- und Rekonstruktionsarbeiten führen oft zum Verlust ihrer Lebensstätten.
Dabei bereichert eine artenreiche Tierwelt das Lebensumfeld des Menschen, ist der Kontakt mit wildlebenden Tieren von großer Bedeutung für die Lebenserfahrung, Bildung und Erziehung insbesondere unserer Kinder und Jugendlichen. Das Vorhandensein charakteristischer Arten spiegelt kulturhistorische Entwicklungen wider und ist damit Teil der spezifischen Identität von Stadträumen.
Ob wir den Bedürfnissen unserer tierischen Mitbewohner Beachtung schenken und somit zum Schutz unserer Tierwelt und zur Bereicherung unserer Umwelt beitragen, hängt ganz wesentlich von der Bereitschaft der Bürger, der Planer, Architekten und Bauherren ab. Sie können in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich mit wenig Aufwand leicht die Belange des Schutzes von Tieren und Pflanzen unterstützen und fördern.

Mit der vorliegenden Broschüre werden die notwendigen Informationen kompakt dargestellt, die rechtlichen Rahmenbedingungen und Hinweise zur Biologie der Arten werden erläutert. Den Schwerpunkt bilden konkrete Vorschläge für die Praxis, wie durch bauliche Maßnahmen den betroffenen Tieren (Wieder-) Ansiedlungsmöglichkeiten an Gebäuden angeboten werden können. Oft sind es die kleinen, unspektakulären Veränderungen bei Rekonstruktion und Neubau, die äußerst wirkungsvoll für den Artenschutz sind. So können wir alle mithelfen, Berlin noch lebendiger zu gestalten.

Peter Strieder
Senator für Stadtentwicklung
Berlin, August 2002


1. Einleitung
Naturschutz in und an Gebäuden gehört bislang bei der Stadtsanierung und bei Neubauprojekten eher zu den Randthemen. Allenfalls Begrünungen haben eine gewisse Akzeptanz erreicht. In der allgemein üblichen Praxis der Gebäudesanierung werden beispielsweise häufig verwitterte oder fehlende Mauersteine ersetzt und offene Fugen vollständig verstrichen. Ziel ist eine makellose Fassade. Im Dachbereich werden Spalten geschlossen, die Dachböden zu Wohnungen ausgebaut. Bei Neubauten prägen - neben fugenlos bündigen Putz- und Steinaußenwänden - unstrukturierte Fassaden aus Metall und Glas das Bild.
Dass es Fledermaus- und Vogelarten gibt, die sich als Kulturfolger dem Menschen angeschlossen haben und Gebäude besiedeln, wird - trotz aller Orientierung auf Nachhaltigkeit - von Planern und Architekten immer noch meist vergessen oder ignoriert. So verlieren immer mehr unserer Untermieter aus dem Tierreich ihre Quartiere. Selbst der stellenweise noch häufige Spatz gerät nach und nach in akute Wohnungsnot. Dabei hat der Gesetzgeber auch ihn und seine Niststätten unter strikten Schutz gestellt - eine Tatsache, die noch nicht überall geläufig ist.
Es sei betont, dass die Berücksichtigung der Natur im Allgemeinen und die Förderung der in der Stadt frei lebenden Tiere im Besonderen nicht nur zu den Zielen der Naturschutzgesetzgebung sondern seit 1990 auch der Berliner Verfassung gehören.
Die Anwesenheit von Wildtieren, welche die Stadtlandschaft beleben, ist ein unbestechliches Zeichen von Lebensqualität und bietet Erwachsenen und vor allem Kindern interessante Naturerlebnisse, Freude und ungewöhnliche Überraschungsmomente.

Sie, die mit dem Bauen Befaßten, können mithelfen, typischen Berliner Charaktertieren wie den "Spatzen" und den durch die Straßen jagenden Mauerseglertrupps das Fortbestehen zu ermöglichen. In einer Gesamtinvestition für Neubau, Umbau oder Sanierung von Gebäuden nehmen solche Maßnahmen nur geringe Kosten in Anspruch, leisten aber einen entscheidenden Beitrag zum Natur- und Artenschutz.
Neben der Verwendung von vorgefertigten Bauteilen (z. B. Niststeine) sind am Bau beteiligte Planer und Architekten gefragt, weitere phantasievolle Lösungen zu entwickeln, da jedes Haus nach individuellen Lösungen verlangt. Im Kapitel 10 (Hilfsmaßnahmen im Überblick) sind die Richtmaße für Quartiere und im Kap. 11 weitere zu berücksichtigende Details angegeben, damit es zu einem Besiedlungserfolg kommt.
Wenn der Wille vorhanden ist - Kostengesichtspunkte können hier nicht entgegenstehen - findet sich für jede Art von Gebäuden eine sowohl den architektonisch-bautechnischen Anforderungen als auch den Bedürfnissen der zu fördernden Arten gerecht werdende Möglichkeit zur Einbindung von Niststätten, wie Ihnen die vorliegende Broschüre nahe bringen möchte.
Julian Wékel
Abteilungsleiter Stadt- und Freiraumplanung

2. Hinweise für Planer und Bauherren
An jeder Art Gebäude, ob Neubau, Altbau, Großsiedlung oder Umbau kann mit geringen Mitteln der Artenschutz für die auf unsere Duldung angewiesenen Vogel- und Fledermausarten gefördert werden.
Der Planer in der Schlüsselrolle für die Konzeption und den Gebäudeentwurf kann frühzeitig Überlegungen und Belange des Artenschutzes mit einbeziehen. Dies gilt für den Neubau ebenso wie für kleine oder auch große Sanierungsaufgaben.
Bereits in der frühen Entwurfsphase des Neubaus oder der Sanierung sollten Artenschutzmaßnahmen in das Gebäudekonzept mit einbezogen werden. Bei alter Bausubstanz ist zu prüfen, ob in der Vergangenheit genutzte Quartiere geschützter Tierarten erhalten werden können. Es empfiehlt sich, möglichst frühzeitig mit der Unteren Naturschutzbehörde des Bezirks oder mit ehrenamtlich arbeitenden Naturschutzorganisationen Kontakt aufzunehmen, um das Gebäude auf bereits vorhandene Niststätten untersuchen zu lassen bzw. zu klären, welche Nisthilfen unter den örtlichen Gegebenheiten sinnvoll sind (Anschriften im Anhang).
In der Konzeption sollte ausdrücklich auf die Integration von Artenhilfsmaßnahmen für Gebäudebrüter hingewiesen werden. Neben der Verwendung umweltfreundlicher Baumaterialien und alternativer Energie- und Wasserversorgung gewinnen zusätzliche Naturschutzmaßnahmen bei breiten Bevölkerungsschichten immer mehr an Akzeptanz und haben Beispielwirkung. Die zukünftigen Nutzer des Gebäudes haben sicher Freude an Vogelgesang, Flugmanövern der Mauersegler und abendlichen Rundflügen der Fledermäuse im Hof.
Der Bauherr als Endnutzer oder späterer Vermarkter spielt die entscheidende Rolle für die Durchsetzung und den Raum, den Artenschutzmaßnahmen an seinen Projekten einnehmen.
Grundsätzlich geht es um die Bereitschaft bei allen an Planung und Bau Beteiligten einen Beitrag für den Natur- und Artenschutz zu leisten und hierbei kreativ mitzudenken. Der Schutz in der Stadt lebender Wildtierarten sollte sich nicht auf das Anbringen von Nistkästen beschränken. Erfolg versprechend sind diese Nisthilfen bei einigen Arten nur, wenn der räumliche Zusammenhang von Brut- und Nahrungsbiotop gegeben ist. Daher sollten mit derartigen Maßnahmen auch Fassaden- und/oder Dachbegrünung sowie die Entsiegelung und Begrünung der Höfe einhergehen (z. B. Belassen von Wildkräutern; empfehlenswerte Gehölzarten im Anhang, Kap. 12.1).

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Kommunikation
Württembergische Straße 6, 10707 Berlin
www.stadtentwicklung.berlin.de - PDF-Datei (2,7 MB)

Ergänzung (aktuelle Artenschutzrechtliche Vorschriften, 41 KB)

 
 

aktualisiert: 15.07.2010  
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